Gutes Coaching für alle: Vermeiden der „Self-fulfilling Prophecy“

Dieser Beitrag schließt sich an den Artikel „Feedback im Fußballtraining“ an und geht tiefer auf ein spezielles Problem im Coaching ein.

Self-fulfilling Prophecy: Was ist das und was hat das mit Coaching zu tun?

Die Erwartungen von Trainerinnen und Trainern an einen Sportler oder eine Spotlerin entstehen aus mehreren Faktoren, wie z.B. Alter oder Fähigkeiten. Häufig entstehen diese Erwartungen durch den berühmten „ersten Eindruck“ oder aber durch Hörensagen wie „Das ist ein Guter!“ oder „Der kann gar nichts!“. Ist man bei einem Trainer oder einer Trainerin einmal in eine Schublade gerutscht, ist es meist schwer, aus dieser wieder herauszukommen. Je erfahrener das Trainerteam ist, desto wahrscheinlicher steckt man auch in der „richtigen“ Schublade.

Für die Trainingserfolge und Fortschritte der Einzelnen kann das Schubladendenken aber zum Problem werden.

Warum ist das so? Ein Beispiel aus dem Mannschaftsport: Die Meinung, die ein Trainer von einem Spieler hat, wird durch verbale und nonverbale Kommunikation vom Trainer an den Spieler übermittelt. Werden die Erwartungen des Trainers über einen langen Zeitraum durchgehend vermittelt und nimmt der Athlet diese Nachrichten auf, kann dies dazu führen, dass das tatsächliche Verhalten des Sportlers nach einiger Zeit mit den ursprünglichen (falschen) Erwartungen des Trainers übereinstimmt. Das bezeichnet man als „Self-fulfilling Prophecy“, eine selbsterfüllende Prophezeiung.

Grafik zum Coaching und Feedback im Fußball
Ungleichgewicht in der Förderung führt zu ungleicher Entwicklung

Dieses Phänomen lässt sich darauf zurückführen, dass – vor allem in Mannschaftssportarten – Spieler und Spielerinnen, von denen höhere Leistungen erwartet werden, generell oft mehr und spezifischer gecoacht werden als Spieler und Spielerinnen, von denen wenig erwartet wird. Das Problem dabei: Die vermeintlich stärkeren Athletinnen und Athleten werden mehr gefördert als die subjektiv schwächeren. Das endet oft darin, dass sich die Spielerinnen und Spieler, von denen weniger erwartet wird, schlechter entwickeln. Nach einiger Zeit können sie dadurch tatsächlich leistungsschwächer sein als ihre Mitspieler und Mitspielerinnen. Die anfänglich falsche Prophezeiung hat sich selbst erfüllt.

Wie können Trainerteams möglichst objektiv bleiben und Spielerinnen und Spieler gleichmäßig fördern?

Um diese selbsterfüllende Prophezeiung zu umgehen, müssen Trainerteams zum einen so objektiv wie möglich bleiben und ihre eigene subjektive Wahrnehmung der Sportlerinnen und Sportler immer wieder hinterfragen, und zum anderen ihr Coaching und Feedback ungeachtet ihrer Erwartungen gleichmäßig auf alle Spielerinnen und Spieler verteilen. Doch objektiv bleiben ist leichter gesagt als getan.

Was kann man konkret tun? – Praxisbeispiel Fußball

Trainer-Coaching der Fußballspieler auf einem Beach Soccer Feld

Auf der einen Seite bieten sich Beobachtungsbögen an. Der DFB stellt seinen Trainern zum Beispiel den „Bewertungsbogen zum Einschätzen fußballerischer Fähigkeiten“ zur Verfügung. In solchen Bögen werden in der Regel festgelegte Faktoren (z.B. „Ballbehandlung“) abgefragt und dann auf einer Skala eingeschätzt. Solche Tools kann man auch leicht selbst erstellen oder Vorlagen individuell anpassen. Die großen Nachteile von Bewertungsbögen sind jedoch ein sehr großer Zeitaufwand und die nicht ausbleibende subjektive Komponente. Trotz standardisierter Beobachtungs- und Fragebögen ist die eigene Meinung nie ganz auszublenden.

Auf der anderen Seite sind Zahlen und Fakten das Mittel der Wahl für Objektivität. Leistungstests und die dazugehörigen Auswertungen sind eine gute Möglichkeit, die Spielerinnen und Spieler an Zahlen zu messen und objektiv einzuschätzen. Das können einfache Faktoren sein, wie zum Beispiel Laufgeschwindigkeiten oder -zeiten. Man kann aber auch komplexere Tests durchführen, bei denen Erfolgsquoten oder Wiederholungszahlen messbar sind, wie beispielsweise Passtore treffen – entweder auf Zeit oder mit einer maximalen Anzahl von Versuchen.

Es muss nicht immer ein separater Test sein

Zusätzlich bietet es sich an, über Übungen, Spielformen und kleine Turniere den Fußballerinnen und Fußballern die Möglichkeit zu geben, sich an objektiven Maßstäben zu messen. Die entscheidenden Punkte sind dabei stets gleiche Gegebenheiten für alle und die objektive Messbarkeit. Wie bereits beschrieben, können das Zeiten bei Sprints oder Dribblings, Wiederholungen beim Jonglieren oder geschossene Tore in kleinen Spielen sein. Um die Motivation gleichzeitig hoch zu halten, baut man die „Messungen“ bestenfalls in Wettbewerbsformen ein, wie etwa ein 1-gegen-1-Turnier („Kaiserturnier“) oder Torabschlusswettbewerbe.

Sich selbst Regeln für das Coaching erstellen

Alle objektiven Einschätzungen bringen den Sportlerinnen und Sportlern nicht viel, wenn diese nicht regelmäßig rückgemeldet und gespiegelt werden. Minuziös Buch darüber führen, wann man im Training oder Spiel wie oft und wie viele Sekunden mit wem gesprochen hat, um niemanden zu vergessen, ist ganz klar zu umständlich. Es darf aber auch nicht dazu kommen, dass eine Person, die zum Beispiel unauffällig ist, weil sie selten Fehler macht, kein Feedback bekommt und die Kommunikation zwischen Trainerteam und Mannschaft dadurch ungleichmäßig verteilt ist. Um das zu verhindern, sollte man sich slebst Vorgaben für das eigene Coaching erstellen. Folgende Denkanstöße könnten dabei zu Struktur in der Kommunikation verhelfen:

  • Als klare Kommunikationsregel für das Trainerteam, um die Stärken der Mannschaft zu fördern, gilt: Jede wirklich gute/ herausragende Aktion mit Lob belohnen und bekräftigen – ohne Ausnahme!
  • Bei der Trainingsdokumentation sollte man nicht nur Anwesenheit und Trainingsleistung der Spieler und Spielerinnen eintragen, sondern kurz auch sich selbst hinterfragen: „Habe ich Aktionen von diesem Spieler/ dieser Spielerin im Kopf? Habe ich heute mit der Person gesprochen oder sie gecoacht?“
  • Um grundlegende Dinge zu besprechen und Erwartungen klar und transparent zu machen, sind regelmäßige Spielergespräche (zumindest halbjährlich) für Feedback unter vier Augen empfehlenswert und können den Sportlerinnen und Sportlern zu weiteren Entwicklungsschüben verhelfen.

Tipps vom Sportpsychologen: Neujahrsvorsätze mit richtiger Zielsetzung umsetzen

Jedes Jahr zum 1. Januar nehmen sich viele Menschen etwas vor. Neujahrsvorsätze wie „Dieses Jahr werde ich abnehmen“ oder „Ich höre auf zu rauchen“ sind bekannte Beispiele dafür. Das große Problem mit diesen guten Vorsätzen ist jedoch, dass die Leute erst hochmotiviert sind, sie auch umzusetzen, dann aber nach zwei oder drei Wochen bereits ihre Motivation verlieren und die Vorsätze komplett vergessen. Aber warum?

Neujahrsvorsätze Zielsetzung Motivation
Fitness-Studios verdienen im Januar traditionell am meisten. Vor allem mit Personen, die im Januar lange Verträge abschließen und dann nicht mehr kommen. Bild: 9gag.com

Richtige Herangehensweise bei der Zielsetzung

Die Antwort ist simpel. Neujahrsvorsätze werden in den meisten Fällen einfach nur falsch formuliert. Oft werden Ziele zu unklar gesteckt. Vorsätze wie „Ich will abnehmen“ sind nicht greifbar. Was versteht man unter „abnehmen“? 100 Gramm oder 100 Kilogramm? Wann ist das Ziel erreicht? Genau wegen dieser Unklarheiten bleibt die Motivation nach kurzer Zeit  auf der Strecke.

Aber wie formuliert man Ziele richtig? Dafür bietet sich ein „alter Hut“ aus dem Projektmanagement an: die SMART-Methode. Sie ist praktisch und sehr leicht anzuwenden. SMART ist eine Abkürzung, beziehungsweise ein Akronym. Die Methode bietet damit einen Rahmen für die Zielsetzung und dient als Eselsbrücke für alle Punkte, die ein Ziel haben sollten. SMART steht für:

  • Spezifisch
  • Messbar
  • Attraktiv
  • Realistisch
  • Terminiert

SMART-Ziele Zielsetzung
SMART-Ziele – Foto: Max Menning

Je spezifischer ein Ziel formuliert wird, desto greifbarer macht man es. Im Beispiel „Ich will abnehmen“ wäre das, wie man abnehmen möchte.  Man sollte festlegen, ob man das Ziel durch Sport, gesunde Ernährung oder beides erreichen möchte.

Auch die Messbarkeit ist für die Motivation entscheidend. Um Erfolge sichtbar machen zu können, müssen sie irgendwie messbar sein. In unserem Beispiel also, was man abnehmen will. Wird der Abnahmeerfolg beispielsweise am Bauchumfang, Körperfettanteil oder am Gewichtsverlust festgemacht? Das heißt zum Beispiel Zentimeter, Prozent oder Kilogramm.

Attraktiv sollte jedes Ziel sein. Hier ist entscheidend, ob man nur extrinsisch (von außen) oder intrinsisch (von innen) motiviert ist. Das bedeutet in unserem Beispiel: Will nur jemand anderes, dass ich abnehme oder will ich das auch? Nur wenn man wirklich von selbst abnehmen will, wird man auch Erfolg haben.

Ob die Motivation lange erhalten bleibt, hängt häufig davon ab, wie realistisch ein Ziel ist. Man sollte in diesem Punkt darauf achten, dass ein Ziel nicht unrealistisch ist. 50 Kilogramm in einem Monat abnehmen zu wollen ist unrealistisch und kann schnell demotivierend wirken. Genauso demotivierend ist es aber auch, sich zu niedrige Ziele zu setzen. Ein Kilogramm in einem Jahr abzunehmen ist keine Herausforderung und motiviert uns somit auch nicht.

Für unsere Motivation ist es auch wichtig, eine Ziellinie vor Augen zu haben. Wir brauchen einen Termin, auf den wir hinarbeiten können. So wird das Ziel noch greifbarer und auch verbindlicher. Bei der Zielsetzung sollte man also auch ein Datum oder einen festen Zeitraum einbauen.

Je spezifischer die Ziele, desto besser

Wenn man diese Punkte der Zielsetzung beachtet sich SMARTe Ziele setzt  erhöht man die Chancen, die guten Vorsätze auch zu verwirklichen, um ein Vielfaches. Aus dem schwammigen Satz „Ich will abnehmen“ wird dann zum Beispiel: „Ich will in den nächsten vier Monaten acht Kilogramm abnehmen, indem ich zwei mal pro Woche jogge und ein mal pro Woche zum Krafttraining gehe und indem ich nur noch zu festen Mahlzeiten bewusst und gesund esse.“

Auch dieses Ziel lässt sich noch mehr spezifizieren, wenn man „gesund“ genauer definiert. Generell gilt: Je spezifischer, desto besser. Denn so ist nicht nur das Ziel klarer, sondern auch der Weg dahin. Wenn der Zeitraum oder der gesetzte Termin erreicht ist, gilt es zu überprüfen, ob das Ziel erreicht wurde. Dann kann entschieden werden, ob ein neues Ziel gesetzt oder das aktuelle angepasst wird.